FAQ: Medikamente vor OP

Immer wieder Anlass für Unsicherheit gibt das Thema Hausmedikation vor OP. Grundsätzlich wird sich der Anästhesist die Medikamentenliste des Patienten ansehen und entscheiden ob die Mittel nach Plan weiter genommen werden sollen, was übrigens nicht dem Nüchternheitsgebot widerspricht, oder ob einzelne Präparate abgesetzt, oder besser gesagt pausiert, werden sollen.

Pausen betreffen üblicherweise Gerinnungshemmer, wie Cumarine, ASS, Heparine, „neue“ Antikoagulantien (Faktor Xa Hemmer, Thrombin Hemmer) und orale Antidiabetika. Während der Grund bei den Gerinnungshemmern sicherlich nachvollziehbar ist, ist es bei den Antidiabetika schwerer zu verstehen. OAD können eine Laktatazidose auslösen, in Verbindung mit dem OP-bedingt steigenden Laktat kann das zu Nierenschäden führen.

Sonstige Pausen im Medikamentenplan werden individuell festgelegt. Wichtig ist nur, dass man die Medikamente, die man braucht und nehmen darf auch tatsächlich nimmt, sonst wird der sonst gut eingestellte Blutdruck eventuell zum Problem.

Zusätzlich zur Hausmedikation verschreibt der Anästhesist oftmals noch ein Medikament für den Vorabend und/oder den OP Tag. Diese Prämedikation (in der Regel Benzodiazepine oder Clonidin) sollte man nehmen, auch wenn man selbst der Meinung ist das nicht zu brauchen. Das Ganze dient dazu, dass der Patient die unangenehmen Umstände rund um die OP wieder vergisst, er leichter einschläft und insgesamt weniger Anästhetika intraoperativ braucht.

Noch Fragen? Einfach her damit.

21 Gedanken zu „FAQ: Medikamente vor OP

  1. nickel sagt:

    Huhu,
    ja ich hab da mal ne Frage.
    Ich sollte damals meine Pille (aso die zur Verhütung) nicht nehmen vor einer OP. (Dass es mir dadurch noch wesentlich schlechter ging als ohnehin schon nach dem Eingriff war schröckelich.)
    Wieso die Unterbrechung?

    Liebe Grüße und danke im Voraus,
    nickel

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    • Gute Frage. Diskutiert wird eine erhöhte Thrombosegefahr durch die Pille. Allerdings vertreten manche auch die Meinung, dass bei richtiger antikoagulationstherapie das Risiko nicht erhöht ist.
      Zusätzlich ist zu erwähnen, dass die Wirkung der Pille unter Umständen nicht mehr gegeben ist durch die Narkose.

      Ganz einfach ist das also nicht zu beantworten und meine Antwort ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss.

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  2. Rena sagt:

    Meine Tochter und ein Freund sind beide Diabetiker Typ 1. Was ist denn bitte Antidiabetika? Davon habe ich noch nie gehört. Danke

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    • Antidiabetika sind Medikamente zur Behandlung von Diabetes. Anösthesiologisch relevant sind hier besonders Biguanide und Sulfonylharnstoffe relevant. Bekannte Vertreter sind Glibenclamid oder Metformin.

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      • Rena sagt:

        Ich kenn nur das klassische Insulin und das für die Nacht. Was mir mehr Sorgen macht: der Freund hat Hypoglykämie und lebt alleine. Nicht gut, ich weiß.

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        • Alleine Insuline gibt es gefühlte 100. „Das klassische Insulin“ ist also keine Beschreibung.
          Wenn dein Freund unterzuckerungsprobleme hat, dann sollte man den Grund dafür herausfinden. Gerade Typ 1 Diabetiker kennen sich in der Regel sehr gut mit ihrer Krankheit aus und haben daher selten Probleme damit.

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  3. Bei den Antidiabetika bin ich auch oft unsicher. Und erschreckenderweise wissen das auch viele Examinierte nicht…
    wenn ein pat also normalerweise morgens 500 mg metformin kriegt, dieses aber wegen OP weggelassen wird, was tun wenn der Zucker dann extrem steigt?
    darf man dann trotzdem bedarfsinsulin spritzen (nach schema)?
    Bzw. kann man allgemein sagen, welche Medikamentengruppen man bei OP’s vorher nehmen darf und welche gar nicht (z.b.halt antikoagulantien)?

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    • Gibt es bei euch keinen Standard für Diabetiker? Bei uns wird morgens vor der OP ein nüchtern BZ gemacht und dann eine G10% mit Insulin nach einem festgelegten Schema angehängt.
      Intraoperativ machen wir genau das, was du vorschlägst, wir spritzen mit Normalinsulin (zum Beispiel Insuman Rapid®) nach Schema runter. Solltet ihr vielleicht mal bei Gelegenheit in der Abteilung besprechen, wenn es da keine Regelung gibt.

      Medikamentengruppen bei denen eine Pause, Dosisanpassung oder generell ein Blick nötig ist:
      – orale Antidiabetika
      – Schilddrüsenhormone
      – Kortisonpräparate
      – Diuretika
      – Psychopharmaka
      – Medikamente gegen rheumatoide Arthritis (TNF Alpha Blocker, Methotrexat)
      – Medis mit Einfluss auf die Gerinnung (NSAR, Thrombozytenaggregationshemmer, etc.)
      – Ovulationshemmer, Hormonersatztherapie
      – Phytotherapeutika
      – Antibiotika

      Wie immer erhebt die Liste keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit. Nur ein Anhaltspunkt.

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      • Ah okay, sehr interessant!
        Ich weiß ehrlich gesagt nicht ob es da einen Standard gibt… Leider hat man als Azubi nicht wirklich viel zu sagen. Und auf vielen Stationen wird man entweder klein gehalten und kriegt null verantwortung, oder man wird nach 2 wochen „einarbeitung“ als volle kraft gezählt. letzteres ist mWn in ca 60-80% der Zeit der Fall.
        natürlich gibt es auch „gute“ stationen.
        Auf vielen Stationen ist ja nicht mal Zeit die Erst- und Abschlussgespräche zu führen. Geschweige denn „richtige“ anleitungen zu machen.

        Wie gesagt, ich bin mir bei den medikamenten immer sehr unsicher. Und leider kommt es eben auch oft genug vor, dass examinierte es nicht wissen. erschreckenderweise ist es nicht mal so selten, dass auch der stationsarzt das nicht wirklich weiß und antwortet wir sollten das doch „machen wie immer“.

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  4. Was mich da brennend interessieren würde, da du sie ja auch erwähnst, welche Psychopharmaka sind denn da gemeint? Wie z.B. trizyklische Antidepressiva? Oder eher die SSRI/ SNRI? Muss man die absetzen oder ist da eben die Gefahr höher das die Anästhesie verfrüht nachlässt.
    Und ganz besonders würde mich auch interessieren (nicht aktuell für mich, sondern insgesamt) wie sieht es denn mit Substitutionsmitteln aus, also Methadon, L-Polamidon, Buprenorphin? Denn dabei wirken ja auch schon normale Schmerzmittel kaum noch vernünftig. Bzw. nur viel kürzer.

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    • Betrifft theoretisch folgende Psychopharmaka:
      Litihium, wegen der Gefahr einer Intoxikation durch Flüssigkeitsverschiebungen während der OP bzw. durch Interaktion mit NSAR und Diuretika. Sollten 72h prä OP abgesetzt werden.
      Trizyklische Antidepressiva, wegen der direkten Interaktion mit dem Hrez-Kreislaufsystem, Verstärken die Wirkung von Katecholaminen. Sollten zwei Wochen prä OP ausgeschlichen, keinesfalls direkt abgesetzt, werden.
      MAO Hemmer 1./2. Gen., können mit Pethidin oder Tramadol interagieren und schwere Nebenwirkungen hervorrufen. Zwei Wochen vor OP absetzen.
      SSRI, wegen der Interaktion diversen Medis; können zum Serotoninsyndrom führen. Absetzen 24h prä OP.
      Neuroleptika, können wie Wirkung von Inhalationsanästhetika herabsetzen, i.v. Anästhetika verstärken, Wirkverlängerung von Muskelrelaxantien, Auftreten des malignen neuroleptischen Syndroms möglich. Absetzen einen Tag vor OP empfohlen, Literaturhinweise sind hier aber unterschiedlich.

      Substitutionsmittel sind kein massives Problem. Methadon wird einfach weiter gegeben um keinen akuten Suchdruck zu erzeugen. Dosistechnisch wird man sich bei den Opiaten eher an der oberen Grenze orientieren und bei Anzeichen von Schmerz nachdosieren. Zusätzlich wird man Koanalgetika wie Clonidin verwenden um die benötigte Opiatdosis zu reduzieren oder mit Ketamin versuchen die häufig auftretende postoperative Hyperalgesie zu verhindern.
      Außerdem werden die Patienten großzügig mit Nichtopioiden abgedeckt.
      Letztlich ist es nicht einfach eine ordentliche Schmerztherapie bei (ehemaligen) Opiatsüchtigen hinzubekommen, machbar ist es aber.

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  5. Ah vielen Dank für die sehr ausführlichen Antworten. Wieder eine ganze Menge gelernt.
    Grade das trizyklische doch komplett ausgeschlichen werden müssen ist schonmal gut zu wissen. Das die Neuroleptika allerdings nur so „kurzzeitig“ abgesetzt werden müssen hätte ich wirklich nicht erwartet.
    Allerdings werd ich da ja doch noch sehr neugierig, wenn wir hier schonmal so interessante Informationen von dir bekommen, wie es mit „Drogen“ aussieht.
    Also THC, PCP, Ecstasy z.B. aber auch bei starkem Alkoholmissbrauch oder sehr starkem Tabakkonsum, würde ja auch durch die Entzugserscheinungen relativ unkalkulierbar werden. Oder handhabt man es da „einfach“ ähnlich wie bei den Opiaten?

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  6. Meine Antwort ist kein Absolutum. Ich bin weder Arzt noch Apotheker, ich kann also nur aus Buchwissen und Erfahrungen/Beobachtungen berichten. Ob dem wirklich so ist, kann ich also nicht mit Sicherheit sagen. Fakt ist: Psychopharmaka sollten generell nicht einfach so abgesetzt oder in Dosis erhöht oder verringert werden. Die genannten Empfehlungen fand ich ich anästhesiologischen Texten. Letztlich muss das ein Arzt entscheiden.

    Andere Drogen werden ähnlich behandelt. Mögliche Entzugserscheinungen werden mit entsprechenden Medikamenten behandelt, die Narkosemedikamente werden nach Bedarf erhöht. Viele Patienten mit Drogenvorgeschichte brauchen mehr Propofol zum Einschlafen oder haben einen erhöhten Schmerzmittelbedarf. Das kann man aber problemlos erkennen und entsprechend behandeln.

    Tabakkonsum ist da eine Besonderheit. Raucher haben eine erhöhte Gefahr von Herz-Kreislaufproblemen intraoperativ durch die mit CO gebundenen Erythrozyten und vermehrt Wundheilungsstörungen. Außerdem schleimen Raucher vermehrt in den Atemwegen, weshalb sie unter Umständen etwas unschöner zu extubieren bzw. im Aufwachraum zu handhaben sind.

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  7. Aha, sehr gut zu wissen. Dann hoff ich also mal, dass ich als Raucher mit trizyklischen ADs nicht in die Not gerate kurzfristig operiert zu werden. Vielen dank für die ausführlichen Informationen.

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    • Naja, das ist alles immer relativ zu sehen. Die Psychopharmaka werden wie alle Medikamente in der Anästhesie kontrovers diskutiert. Hier geht’s ja im speziellen um geplante OPs, da kann man in aller Ruhe Kosten/Nutzen Rechnungen anstellen und wird in der meisten Fällen aus meiner Erfahrung die Medikamente belassen um keine Verschlimmerung der Erkrankung zu riskieren.
      Im Norfall ist das ohnehin egal, oft weiss man gar nicht, was der Patient nimmt und die beschriebenen möglichen Reaktionen auf antidepressiva sind jetzt nicht so dramatisch, als dass man sie nicht handhaben könnte.
      Mach dir keine Sorgen, auch depressive Raucher überleben uns.

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  8. Mach dir keine Sorgen, auch depressive Raucher überleben uns.
    Sehr geile Antwort, da gehts mir doch gleich bedeutend besser. ^^

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